Ochsenkopfempfang in Jena

Das Wort zum Sonntag hat nun DL1KLP, der uns einen Gastbeitrag hat zukommen lassen. Vielen Dank Volkhard!

Die Fernsehsender der Bundesrepublik waren in der ehemaligen DDR das Fenster zum Westen. Sie wurden regelmäßig gesehen. Folgende Sender waren im Raum Thüringen zu empfangen:

  • Sender Ochsenkopf (Fichtelgebirge) Kanal 4 100kW, senkrecht Polarisiert
  • Sender Kreuzberg (Rhön) Kanal 3 100kW, senkrecht Polarisiert
  • Sender Hoher Meissner (Hessen) Kanal 7 100kW, waagrecht Polarisiert
  • Sender Harz-West (Torfhaus) Kanal 10 100kW, waagrecht Polarisiert

Der Sender Ochsenkopf im Fichtelgebirge ostlich von Bayreuth war für viele Jenaer im Fernsehen der Blick zum Westen.

Die DDR-Behörden gingen nach 1961 massiv gegen den Empfang des ‚Westfernsehens‘ vor. Die DDR-Bürger sollten zu guten Sozialisten werden. Ich war damals Lehrling bei Zeiss. Mein Lehrausbilder war krank und verstarb. In FDJ-Hemd musste die Trauerfeier besucht werden! Doch konnten sie langfristig den Empfang bundesrepublikanischer Programme in der DDR nicht verhindern. In den sechziger Jahren gab es Aktionen, damit der Westempfang verhindert werden sollte:

  • Ausbau des Kanalstreifens „Kanal4“ von den damals üblichen Trommelkanalwählern
  • „Aktion Ochsenkopf“ mit dem Ziel, die „Westantennen“ von den Dächern zu entfernen.
  • Verbot des „Westempfangs“ bei Androhung der fristlosen Entlassung bei Lehrlingen der Firma Zeiss (was natürlich in die damals übliche „Kaderakte“ eingetragen wurde und den weiteren Lebensweg erheblich beeinflusste. Zu mir als Lehrling hat jemand damals gesagt: „Das hatten wir schonmal im 3. Reich“ .
  • Das Betreiben von Störsendern

Diese Aktionen hatten sehr beschränkten Erfolg, selbst die Störsender mussten abgeschaltet werden, weil auch die Funkverbindung der sowjetischen Armee betroffen war (in Osteuropa gab es eine andere Norm (ORIT) zur Frequenzverteilung). Ab 1971 wurde der Empfang westlicher Fernsehprogramme nicht mehr verfolgt. Das ergab sich aus den Vertragsverhandlungen zwischen der DDR und der BRD zum Grundlagenvertrag. Ausserdem wurden die DDR und die BRD Mitglieder der UNO.

Die betoffenen Jenaer hatten mit allen Mitteln um ein Ochsenkopfempfang gekämpft. Dabei spielten natürlich die Empfangsfeldstärke der Sender eine wesentliche Rolle. Insbesondere war die Tallage in Jena dabei zu Beachten.

Sender Ochsenkopf : Kanal 4, 100 kW Rundstrahler, senkrecht Polarisiert.
Standort: Fichtelgebirge bei Bischofsgrün. Höhe: 1024 m

Entfernung: ca. 100 km.

Jena im Tal
Der Sender kommt von Süden, in etwa über den runden Turm in der Mitte des Bildes. Die Höhendifferenz zwischen Tal und Berg ist ca. 200 Meter.

Die Elemente der Antenne sind ca.: 2,2 Meter lang.

Auf den Dächern war damals ein „Antennenwald “ vorhanden, es gab viele Bauformen der Antennen ( Yagi ( 2..3 Elemente ), „Schweizer Antenne“, gestockte Yagi (Kinderbett). Diese Antennen hatten je nach Bauform 3..6 dB Gewinn, die Richtcharakteristig durch die senkrechte Polarisation war in der Ebene mäßig. Ausserdem hatten die Antennen sich gegenseitig beeinflußt, so daß beim Aufstellen der Antennen sehr viel probiert werden musste. Durch die topografischen Gegebenheiten ist eine Freiraumausbreitung auszuschließen, nur in Dürrengleina 438 m über NN (südöstlich von Jena) ist bei guter Witterung der Ochsenkopf zu sehen.

Die Wellen müssen also gebeugt werden. Beugungsfunktion:

Erläuterung zur Beugungsfunktion:

Weit weg von der Kante (zum Sender hin) kann man die Freiraumberechnungen anwenden. An der Kante ist die Feldstärke nur noch 50 %. Hinter der Kante ist die Feldstärke stark gedämpft, mit wachsender Entfernung wächst sie wieder.

Dieses ist ein typisches Bild bei sehr geringer Feldstärke

Eine wesentliche Verbesserung des Empfangs konnten mit Antennenverstärkern erreicht werden. Zur damaligen Zeit waren Transistoren nicht greifbar, die Verstärker wurden mir Röhren aufgebaut. Es gab einen Verstärker zu kaufen, der auf Kanal 9 (Sender Leipzig) abgestimmt war. Diesen konnte man einfach auf Kanal 4 umbauen. Die Verstärker waren mit der Röhre ECC84 in Kaskodeschaltung aufgebaut. Wesentlich besser war der Verstärker mit der ECC88 oder 2 *EC86 (äquivalerter Rauschwiderstand < 300 Ohm). Die wurden aber sinnvollerweise direkt hinter der Antenne angeordnet, damit Kabeldämpfungen nicht zum tragen kommen. Die damals üblichen Flachbankkabel mit 240 Ohm Wellenwiderstend hatten eine Dämpfung von ca. 3..4 dB auf 100 Meter (neu und nicht verschmutzt) , ein Wert der nicht zu vernachlässigen ist. Allerdings musste dann die Stromversorgung (Anodenspannung ca. 200 V) entsprechend modifitiert werden.

Diese Schwierigkeiten des Empfangs wurden noch durch folgende Effekte verschärft:

  • Teilweise Störungen durch nicht ordnungsgemäße entstörte Elektrogeräte und Autos.
  • Funkverkehr der sowjetischen Armee.
  • Überreichweiten.

Die Überreichweiten werden besonders durch Inversionswetterlagen hervorgerufen.

In Jena wurden spanische und italienische Sender empfangen. Allerdings waren die Überreichweiten nicht stabil, mit dem Sender Ochsenkopf gab es starke Interferenzen. (Ausnahme: Man konnte aus Spanien Stierkämpfe gut sehen)

Funkverkehr der sowjetischen Armee. Da die Bandbreite des sowjetischen Funkverkehrs schmal war, konnte mit Topfkreisen in der Antennenleitung Besserung erreicht werden. Diese Topfkreise wurden teilweise „in Serie“ gebaut. Ab 1971 wurde der Empfang westlicher Fernsehprogramme auch nicht mehr verfolgt. Das ergab sich aus den Vertragsverhandlungen zwischen der DDR und der BRD zum Grundlagenvertrag.

In der weiteren Entwicklung ( ab ca. 1985 ) konnten auf privater Basis sogar Antennengemeinschaften gegründet werden. In günstiger Lage ( z. B. Landgrafen ) wurde eine Antennenanlage errichtet.

 

 

 

 

8 comments for “Ochsenkopfempfang in Jena

  1. Horst
    2. September 2017 at 22:30

    Danke für den Beitrag.
    Bei uns im Vogtland war es ähnlich. Es gab Aushänge mit den Namen der Familien, die noch eine Westantenne auf dem Dach hatten. Den Bayrischen Rundfunk konnten wir ohne Störung empfangen. Beim RIAS mußte etwas feinfühlig abgestimmt werden, damit wir die Sendungen auf Mittelwelle und UKW störungsfrei empfangen konnten.. Das hatten wir auch unserer Nähe zur Grenze verdanken. Fernsehen war mit einem einfachem Dipol aus Flachbandkabel oder aus einem Blitzableiterdraht zu empfangen. Die standen entweder im Wohnzimmer, wenn es möglich war auf dem Wäscheboden oder in der Dachkammer. Überreichweiten aus Spanien und Italien waren in den Sommermonaten eine Normalität.
    Für das ZDF mußte schon etwas mehr Antennenaufwand betrieben werden. Teilweise wurden selbstgebaute Antennenverstärker benutzt.

  2. 7. Oktober 2017 at 15:09

    Schöner Beitrag über den Ochsenkopf,es war der erste Sender den ich nach der Wende „besucht“ habe.
    Ich habe einige Fragen an die Jenenser unter Ihnen:
    In Jena gab es 3 Fernsehumsetzer :
    1) Kernberge: Bau 1983/84 – 2008 analog, dann DVB- T vom neuen Mast.
    Kanal 7 – DDR1/ARD , K 38 – DDR 2/MDR + K 41 ZDF
    2)Forst: ab 1958 vom Forstturm -DDR1 K 11 (oder + K12 ,K7) ,ab wann neuer Gittermast mit
    Kanal 29-DDR1/ARD ,K36 DDR2/MDR +K43 ZDF ?
    3) Landgraf;ab 1964 /1971 Ausbau als Aussichtsturm? Abschaltung 1994 ?
    Kanal 11DDR1/ARD und sowj.TV Kanal 26
    Sind meine Angaben so richtig und kann jemand von den Amateurfunker etwas ergänzen/richtigstellen?
    Ich befasse mich rein hobbymäßig mit Rundfunk/TV und bin jetzt ,als Rentner,dabei meine Zettelwirtschaft zu ordnen und zu archivieren. Über große Anlagen wie z.B. Lpz.- Wiederau,Burg Zehlendorf und RIAS habe ich schon Ordner angelegt.
    Über eine Antwort von Ihnen würde ich mich sehr freuen.
    MfG Helmut („Hempe“)

    • Volkhard Klupsch
      5. November 2017 at 11:32

      Hallo, auch ich habe den Ochenkopf nach der Wende besucht.

      Hier die Daten aus der Wittsmoorliste
      1992
      MDR 1. Programm
      Jena 1 Kanal 7 20 Watt Kernberge
      2 29 400 Landgrafen
      3 11 2 Forst

      ZDF —-

      MDR 3. Pogramm
      Jena 1 Kanal 38 300 Watt
      2 36 400

      2001
      MDR 1. Programm
      Jena 1 Kanal 7 20 Watt Kernberge
      2 29 400 Forst

      ZDF Jena 1 41 50
      2 43 100

      MDR 3. Pogramm
      Jena 1 Kanal 38 320 Watt
      2 36 400

      Meines Wissens nach waren die Standorte Kernberge und Forst. Landgrafen wurde aufgegeben.
      Über einen russischsprachenden Sender ist nicht bekannt, obwohl AFN usw in der Liste enthalten sind.
      Die aktuelle Wittsmoorliste ist im Internet. IFR.de oder Google

      • 8. November 2017 at 14:18

        Danke Herr Klupsch für ihre Antwort.
        Die Wittmoorliste habe ich von 1991 und da kommt das 1. Programm Kanal 29 vom Forst und nicht vom Landgrafen(von hier kommt der Kanal 11).Die anderen Angaben sind die gleichen. Alle Angaben standen so auch in der „Radio Fernseh Elektronik“ 1986. Das sowj.TV ( TSS 1) wurde Anfang der 1980er Jahre in vielen Garnisionsstädten in der DDR ausgestrahlt. Von Jena kenne ich Kanal 26-300Watt H und ND(Rundstrahlung).Die Koordninaten(50°55’/11°37′) gehören auf die Kernberge,aber ob das immer so war?
        Was mir fehlt sind Angaben vor der Wende,also ab 1958 ( Bau Forstturm) + Bau Landgraf und Kernberge – Kanaltausch usw. Ich habe auch die Bergfreunde vom Landgrafen und vom Forstturm angeschrieben ,aber die suchen auch noch.:-)
        MfG Helmut

  3. Volkhard Klupsch
    5. November 2017 at 11:35

    Entschuldigung, die Struktur ist verlorengegangen.

    1. Zeichen: Sendernummer
    2.Zeichen: Kanalnummer
    3. Zeichen: Leistung in Watt.

  4. J. Solcher
    29. April 2019 at 18:53

    Ser Sender Kreuzberg (Kanal 3) sendete horizontal polarisiert.

    • 19. April 2021 at 14:05

      ‚Der Sender Kreuzberg (Kanal 3) sendete horizontal polarisiert.‘
      Um 1960 sendete Kreuzberg noch vertikal polarisiert. Später – wann (und warum) weiss ich leider nicht – wurde er auf horizontale Polarisation umgebaut.

      • J. Solcher
        11. September 2021 at 9:26

        Ende der 70er / Anfang der 80er hatte ich eine 3-Elemente Antenne für K3 in Frankfurt am Main zum Empfang des Senders Kreuzberg. Zu dieser Zeit sendete er schon mit horizontaler Polarisation.
        Das Programm war trotz der Entfernung von rund 100 KM in guter Qualität zu empfangen, war allerdings zeitweise Störungen durch Überreichweiten anderer Sender ausgesetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert